Les Cols: Schneewittchen und ihre zwei Sterne
Die zwei Seiten eines katalanischen Bauernhauses
In elegantem Schwarz gekleidet schwebt Fina Puigdevall durch das Restaurant. Nur ein Blick auf die bequemen Sneakers verraten ihre eigentliche Berufung, die Beherrschung höchster Kochkunst. Das Ambiente des Raumes besteht aus schwarzen Wänden und Böden sowie goldfarbenen Tischen und Stühlen, alles sehr auf das Wesentliche reduziert. „Es soll den Kontrast zwischen dunkel und hell sowie innen und außen unterstreichen. Wichtig ist uns außerdem der direkte Blick in den Garten mit den frei laufenden schwarzen Hühnern unter Obstbäumen und zwischen Gemüsebeeten. Es präsentiert die direkte Verbindung zwischen den Speisen auf dem Teller und der Natur“, erklärt die schwarzhaarige Chefköchin und Inhaberin der Zweisternerestaurants Les Cols. In dem jahrhunderte alten Bauernhaus, in dem sie heute ihre Gäste verzaubert, wuchs sie auf. Vielleicht ist diese besondere Verbundenheit zu dem Haus auch der Grund, warum sie von einer geheimnisvollen Aura umgeben ist und ein wenig wie die Märchenprinzessin Schneewittchen erscheint. Das architektonische Meisterwerk des Gebäudeinneren vom Les Cols, das bereits mehrere Auszeichnungen erhielt, porträtiert perfekt die kulinarische Kochkunst alter katalanischer Gerichte – natürlich modern interpretiert. Die baumeisterliche Idee setzt sich in der zentral gelegenen Küche fort und überrascht mit einem gläsern eingerahmten Innenhof, an dessen Scheiben ein kleiner Wasserfall herunter rieselt.
Erst wenn der Gast an der langen goldenen Tafel oder an einem der runden Tische mit Gartenblick sitzt, beginnt die Inszenierung. Zunächst wird nach und nach der Tisch gedeckt. Nach den weißen Platzdeckchen folgen das Besteck, eine Gel-Kerze und etwas Efeu im Glas.
„Klänge, Farben, Düfte. Stille und Mystik. Das weiche warme Licht, der Himmel und die Erde. Die Intimität der Landschaft – ich versuche die Beziehung zwischen dem Augenblick und dieser Schönheit zu fühlen und in jeder Minute sehr intensiv zu leben. Kleine Dinge können mich mit Freude erfüllen. All dies sollte in der saisonalen Küche unserer ländlichen Region in einer Vulkanlandschaft zu schmecken sein…“, verrät Fina Puigdevall ihre Philosophie.
Winter and nature lautet der Menütitel. Unter dem Motto das Land, das Wasser und das Getreide startet die Speisefolge mit einer hauchdünnen Scheibe Buchweizenbrot und hausgemachter Salami aus Olot. Es folgt eine Miniportion Schweinebauch in einem knusprigen warmen Sandwich, Buchweizenblinis mit Blüten und ein Nusstaler. Ein schwerer Eisenwagen mit einer beachtlichen Brotselektion wird zu den Tischen geschoben. Da ist sie wieder, die Qual der Wahl. (Außerdem ist die Menüliste noch sehr lang.) Nach den Buchweizenspaghetti in geräucherter Brühe folgen die gegrillte Frühlingszwiebel in Tempurateig, weiße Bohnen aus Santa Pau und schwarzer Trüffel in eigenem Sud. Sehr köstlich! Eine weitere Steigerung bewirkt Fina Puigdevall mit dem folgenden Gang, das Ei aus dem eigenen Garten, dieses Mal mit geriebenem Trüffel. Im Anschluss Kartoffel-Stew mit Eukalyptusöl und Knoblauch. Der Zwischengang Glasaale in grüner Sauce wird als eine kleine Überraschung eingeschoben. Jedes Gericht bedeutet auch eine Präsentation ästhetischen Genusses. Erbsen mit gerösteter Blutwurst gehören wie Reis mit Tintenfisch oder gesalzener Kabeljau mit Rosinen zu den typisch regionalen Speisen, denen das Spanferkel mit Maismehlbrot und Buchweizen, dieses Mal als ungemahlenes Korn, folgen. Nach einer eindrucksvoll-üppigen Käseplatte beginnt das süße Finale mit Kastanienpüree, gefrorenem Hüttenkäse aus Schafsmilch mit Trüffel (eine ausgezeichnete Geschmacksintensität und -präsenz) und als Hommage an die katalanische Heimat wird die Vulkanische Landschaft bestehend aus Carob, Ratafia und Buchweizen kredenzt.
Galant wird der Gast nach den vielen Kostproben höchsten Wohlgeschmacks vom runden Tisch an die lange Tafel geleitet, um dort bei einem Digestif oder Cortado eine weitere Perspektive des goldenen Märchenpalastes zu erhalten.