Baiersbronn: Eine himmlische Wanderung
Der Glanz vom Sternenschweif breitet sich über dem Schwarzwald aus
Ein schmaler Pfad. Die knorrigen Wurzeln der Fichten graben sich tief in die Erde. Auf dem leicht bergan steigenden Weg bilden sie immer neue Muster, die wie ein endloses Kunstwerk wirken. In der Ferne ist das Plätschern eines Baches zu hören. Das satte Grün der Wiesen umrahmt das Ufer. „Oh, hier sehe ich schon das erste Wildkraut. Die Brunnenkresse wächst direkt in der Quellmündung des Klosterbachs. Zum Beispiel als Brotbelag schmeckt sie köstlich“, erklärt Wildkräuterkoch Friedrich Klumpp. Auf einer kleinen Holzplattform, einem so genannten Genussplatz, holt er aus seinem Picknickrucksack frisches Brot und Quark. Bis zum Bach, wo die Kresse vom besten Trinkwasser umspült wird, ist es nur ein Schritt. Eine Handvoll des Krauts genügt, um aus dem einfachen Frischkäsebrot eine natürliche Delikatesse zu zaubern. „Es schmeckt. Einfach köstlich. Kann ich noch eine kleine Portion probieren?“ Die Teilnehmer der kulinarischen Wanderung in Baiersbronn sind offensichtlich ganz begeistert. „Es gibt nichts Schöneres, als in der freien Natur deren Produkte zu kosten“, bestätigt Friedrich Klumpp, der nicht nur als Koch und Hotelier arbeitet. Intensiv hat er sich mit den Wildkräutern auseinandergesetzt und Rezepte entwickelt. Zweimal wöchentlich zeigt er seinen Hotelgästen in Baiersbronn die Schönheiten seiner Heimat.
„Hier gibt es keine scharfen Ecken und Kanten. Die Landschaft ist weich, lieblich. Außerdem gibt es zahlreiche kulinarische Edelsteine, die Baiersbronner Schätze, zu entdecken. Für mich sind diese Wanderungen immer wie ein Jahresurlaub“, schwärmt der Naturliebhaber. Wer Friedrich Klumpp erlebt, lässt sich schnell von seiner Begeisterung anstecken. Die Grüntöne der Wiesen erhalten bald eine andere Bedeutung. Überall gibt es Feines und auch Schmackhaftes zu entdecken. Selbst die Tierwelt erhält eine neue Bedeutung. „Sehen sie die Spuren des Fichtenkreuzschnabels. Das ist ein sehr schlauer Vogel. Seine überkreuzten Schnabelspitzen stellen ein gutes Beispiel für eine dem Nahrungserwerb angepasste Schnabelform. Mit diesem Spezialwerkzeug kann der Vogel die Samen zwischen den Schuppen von Nadelholzzapfen herausholen“, während der Erklärungen hebt er einen Fichtenzapfen auf, um zur Veranschaulichung die Pickspuren des Tieres zu zeigen. Etwas weiter oben schmiegt sich ein weiterer Genussplatz an den Waldrand mit Blick auf den sich sanft schlängelnden Bach am Talgrund. Hier gibt es zum Zwitschern der Vögel und leichtem Säuseln des Windes die Kräutersuppe aus der Thermoskanne mit karamellisiertem Bärlauch. „Einfach herrlich. So muss es im Paradies schmecken“, sagt ein Genusswanderer. Schon bald sind die Sinne für die Spuren und Zeichen in der Natur geschärft. Pflanzen und Tiere werden in einem ganz neuen Licht gesehen. Selbst die winzigsten Details in der Natur werden zu einer Kostbarkeit.
Bekannt ist Baiersbronn mit seinen rund 14.000 Einwohnern durch den Glanz von acht Michelin-Sternen. Damit herrscht in der kleinen Schwarzwaldgemeinde die höchste Sternedichte Europas. Die hochdekorierten Drei-Sterne-Köche Harald Wohlfahrt und Claus-Peter Lumpp sowie der Zwei-Sterne-Koch Jörg Sackmann haben den lang gezogenen Ort schon seit Jahrzehnten in eine Gourmethochburg verwandelt. Mehr als 50 Hotels locken Touristen aus der ganzen Welt an. „Der Ruf unserer Starköche ist verpflichtend. Auch in den vielen anderen Restaurants sowie in den Wanderhütten gibt es sehr gutes Essen“, bestätigt Tourismusdirektor Patrick Schreib, der selbst im Küchenteam von Harald Wohlfahrt gearbeitet hat: „Wir haben hier so viele Schätze. Wir müssen sie nur heben und den Gästen zugänglich machen“. Mit unglaublich viel Engagement wurde das mehr als 500 Kilometer lange Wanderwegenetz ausgebaut und beschriftet. Dazu kamen Themenwanderungen mit einem Schwerpunkt auf lokale Besonderheiten.
Hinter den Begriffen kulinarischer Wanderhimmel, Wildkräuterwirte und Baiersbronner Schätze verbergen sich lohnenswerte Entdeckungen, die die Sterneküche harmonisch ergänzen. Zu den Schätzen gehören lokale Spezialitäten, deren Hauptbestandteile aus Baiersbronn stammen und die im Ort von Einheimischen hergestellt werden sowie direkt beim Erzeuger und in ausgewählten Restaurants erhältlich sind. Unter anderem zählen die Buhlbachforelle von der Forellenzucht Sigwart, die Schwarzenberger Lammspezialitäten vom Klosterreichenbacher Metzger Joachim Koch sowie das Reichenbacher Waldhonigeis vom Seidtenhof zu diesen ganz besonderen Spezialitäten.
„Die Dachmarke der Ferienregion „Genussraum für die Seele“ wird von drei Säulen getragen: Kulinarik, Familienfreundlichkeit und Naturerlebnis bringen das Thema Genuss in unterschiedlicher Weise zusammen“, ergänzt Patrick Schreib.
So verfeinern die acht Wildpflanzenwirte ihre Gerichte mit selbst gesammelten Wildkräutern. Dazu bieten sie ihren Gästen einen Picknick-Rucksack à la Carte an. Neben dem Geschirr enthält dieser eine Thermoskanne, Leckereien der Region sowie die Wildpflanzenbroschüre.
Extra ausgeschilderte Genießerpfade führen zu den schönsten Wanderhütten der Gegend. Himmelswege heißen die neun thematischen Rundwanderwege auf landschaftlich besonders malerischen Strecken. Dazu gibt es Wanderungen mit kulinarischem Schwerpunkt, wie Bier- oder Schnapstour, Schlemmer- oder Kräuterwanderung. Oberhalb von Schwarzenberg lohnt ebenfalls eine Wanderung. Hier gehört zu den außergewöhnlichen Zielen der Weinbrunnen. In dem Brunnen oberhalb des Dorfes stehen im kühlen Wasser Weinflaschen. In einem Schränkchen daneben befinden sich die Gläser und so kann sich der Wanderer bedienen. Für einen Euro pro Glas Wein kann er mir Blick auf das Dorf mit seinen sanft geschwungenen Wegen erfrischenden Weiß- oder Roséwein aus den Kellern der Oberkircher Winzer genießen.