Almlust
Hotel Wiesergut: Sie nennen es Glück
Morgens sitzt Sepp Kröll im modischen Outfit an der Rezeption vom Hotel Wiesergut in Hinterglemm im Salzburger Land. Er beantwortet Mails, führt Gespräche mit den Gästen oder telefoniert. Nachmittags findet der Wandel statt. Dann wird aus dem Designhotelbesitzer ein Landwirt wie aus dem Bilderbuch. In olivgrüner Arbeitskleidung und mit Gummistiefel geht es hoch zur Wieseralm, hin zu seinem Vorzeigestall. „Bei meinen 25 Hühnern und 40 Girls, so nenne ich meine Kühe, bin ich einfach glücklich“, freut sich der Landwirtschaftsmeister über seine persönliche Oase. Ab und zu zeigt er den Hotelgästen, woher die Milch kommt. „Ich beginne mal bei Married. Diese Kuh wurde meiner Frau Martina und mir vor zehn Jahren zur Hochzeit geschenkt. Dieses Girl ist besonders zutraulich“, berichtet Sepp Kröll.
Bevor es mit dem Melken losgeht bekommt Married eine Portion Biogerste und ihr Euter wird mit Kernseife gewaschen. „Beim Melken nicht ziehen, sondern beginnend mit dem Zeigefinger die einzelnen Finger langsam schließen“, lautet die kurze Gebrauchsanweisung. Es funktioniert. Schnell ist der erste kleine Eimer gefüllt. Die lauwarme Milch schmeckt nicht fettig, sondern leicht und aromatisch nach Wiesenblumen und Kräutern. Nach der kleinen Vorführung wird elektrisch gemolken, was wesentlich effektiver ist . Die Milch wird zum Teil 300 Meter weiter unten im Hotel Wiesergut von der Seniorchefin, die auch als ausgezeichnete Bauernbrotbäckerin bekannt ist, zu köstlicher Butter, Joghurt oder eingelegtem Kuhkäse mit Kräutern verarbeitet. „Bei den landwirtschaftlichen Tätigkeiten schöpfe ich meine überirdische Kraft. Manchmal schlafe ich nur drei Stunden, aber das genüg mir. Ich liebe alles, was lebt, wächst und gedeiht. Das ist die Faszination Leben“, bestätigt Sepp Kröll. Jede Kuh hat einen Namen und kennt ihren Platz im Stall ganz genau. Wenn Sepp Kröll die Tiere abends von der Weide holt, wirkt er fast wie ein Dompteur. Ganz brav trotten die Tiere an ihren Platz, wo sie gemolken werden. Auf dem Weg ins Tal, wird die frische Milch gleich mitgenommen. „Wenn ich zum Hotel runterfahre, weiß ich an welcher Stelle der Rehbock steht“, verrät er eine weitere kleine Freude.
Was auf den ersten Blick wie ein starker Kontrast zwischen Hotelwelt und Almleben wirkt, ist einer wundersame Symbiose. Sepp Kröll vereint die Tradition mit einer ungewöhnlichen Hotelkultur. Das Wiesergut versprüht den Charme einer Oase. „Wir nennen es Glück“, lautet der Leitspruch von Familie Kröll, der mit den Symbolen einer stilisierten Lebensblume in Verbindung gebracht wird. Auf der großzügigen Fläche ganz in der Nähe der Gondel wird der Gast von einer Mischung aus Ruhe und inspirierender Schönheit umgeben. Das Gutshaus ist auf Mauern des 13. Jahrhunderts gegründet und wirkt wie ein Ruhepol inmitten dieser wunderbaren Landschaft. Ein modernes, dezentes Gebäude-Ensemble aus Glas, handgeschmiedetem Eisen, heimischen Hölzern und Stein umgibt einen Innenhof, genannt Piazza. In der Nähe eines Feuerrings, wo jeden Abend ein gemütliches Feuer entzündet wird, befindet sich die hauseigene Quelle. Stauden, mehr als 40 Kräuter, Öllampen in Obstbäumen und moderne, dezent angeordnete Sitzgelegenheiten laden zum Entspannen ein.
„Hier ist nichts dem Zufall überlassen. Jedes liebevoll angeordnete, wertvolle Detail, jeder Stoff, das gesamte Interieur ist das Ergebnis jahrelanger Überlegungen, eines intensiven Prozesses. Wir haben uns im Vorfeld mit diversen Architekten auf neutralem Boden getroffen, um diejenigen zu finden, die uns verstehen. Unser Produkt ist nicht austauschbar und wir werden es immer weiterentwickeln“, erläutert Sepp Kröll. „Dazu gehört auch der Genuss der Mahlzeiten, morgens und abends in Ruhe zu zweit oder mit der Familie“ Das Trio mit den Küchenchefs Markus Holling, Andreas Pichler, Patrick Sagmeister sowie Sommelier Harry Sock setzt die Idee von Familie Kröll kulinarisch um. Dem Gast werden schon beim Frühstück sämtliche Speisen am Tisch serviert. Täglich wechselnde Smoothie-Kreationen, diverse eigene Milchprodukte, Breisorten und das Brot der Seniorchefin aus dem Steinofen sind selbstverständlich.Der Slow-Food-Gedanke setzt sich bei den Mahlzeiten perfekt durch. Erntefrische Naturprodukte aus der familiengeführten Landwirtschaft und einer hausgemachten, regionalen Wildkräuterküche. Speck und Rindfleisch vom Pinzgauer Milchkalb, Wild, Milch und Eier stammen aus eigener Erzeugung, beziehungsweise der eigenen Jagd. Beerenbeete und die Streuobstwiese befinden sich auf dem Gelände vom Wiesergut.
Zum Beispiel wird der Bio Kohlrabi mit roter Rübe, Kamut und Lachsforelle aus dem Neusiedlersee von einem körperreichen Grünen Veltliner Schlossberg 2013 vom Weingut Fritsch begleitet. Dazwischen wird ein erfrischendes Sorbet aus Apfel und Nuss mit Salbei und Zimt gereicht. Vielfalt zeichnet die Kreation „Karotte vom Biohof Stechaubauer“ aus. Brotcreme, wilde Karotte, und im Ganzen gebratenes Beiried von der Pinzgauer Kalbin. Zum Dessert die Variation vom Bauerntopfen: Knödel, Creme, Kirschsorbet. Dazu eine perfekt passende Beerenauslese 2010 vom Weingut Kracher.
Die detaillierten Prozesse der Planungen des ungewöhnlichen Hotels im Vorfeld spürt der Gast nicht. Er genießt dafür umso mehr unter einem Sternenhimmel die Ruhe, die Schönheit und die köstlich zubereiteten Speisen eines Kraftplatzes inmitten üppig blühender Wiesen, auf denen die Schmetterlinge tanzen.