Abends wird die Gaststube zum Wohnzimmer
Kopaonik: Kochen über dem offenen Feuer und Sessellifte mit W-Lan
Dichter Schneefall setzt am frühen Abend ein. Stürmische Böen lassen die dicken Flocken durch die Luft toben und türmen im größten Gebirgsmassiv Serbiens Schneeschicht auf Schneeschicht. Meterhoch häufen sich inzwischen in dem Skiort Kopaonik die weißen Massen zwischen den Häusern und Autos auf. Das Wetter müsste nach allgemeinem Hörensagen schnell wechseln, denn laut der Prospekte gibt es dort rund 200 Sonnentage im Jahr. Und sie halten tatsächlich, was sie versprechen. Nicht nur das, sie übertreffen sogar die Erwartungen. Bei Sonnenaufgang zeigt sich eine glitzernd weiße Prachtlandschaft, die jeden Wintersportler jubeln lässt. Ein Gemisch aus Wind, Nebel und Schnee verwandelte die Bäume in der glänzend weißen Berglandschaft in bizarre Skulpturen. Vereinzelt sind an den Hängen kleine, urige Holzhütten zu erkennen. Aus ihren Schornsteinen winden sich graue Rauchwolken und beim Näherkommen liegt der typische Holzfeuergeruch in der Luft, der drinnen Wohliges erwarten lässt.
Dicke Eiszapfen hängen von dem langen Dachüberstand der kleinen Hütte mit dem Namen Skituljko. Holzschindeln bedecken das fantasievoll ineinander geschachtelte Ensemble aus verschieden großen Brettern, das irgendwie einem Märchen entsprungen zu sein scheint. Keine Wand ist richtig gerade. Der Besucher gelangt durch einen Torbogen über eine breite Dielenterrasse, die von dicken Holzbohlen gestützt wird, den Gastraum. Von der Decke hängen verschiedene Petroleumlampen und im Kamin lodert ein knisterndes Feuer. Eine Kuckucksuhr und ein alter Kelim zieren die Gaststube, der sofort anzusehen ist, dass sie abends zum privaten Wohnzimmer wird. Ivica Cajic begann mit dem Bau seines Häuschens 1995. Immer wenn am Ende der Saison etwas Geld übrig war, konnte der Wirt seine Hütte wieder ein Stück erweitern. Der bescheidene Wirt ist sehr stolz auf sein Bergdomizil bei dem er fast alles in Eigenarbeit gebaut hat: die rustikalen Bänke und Tische in der Gaststube, wie auch den Kamin mit einem Sims aus Zink. Neueste Errungenschaft: W-Lan! Aber eine direkte Anbindung an eine Straße oder einen Weg gibt es nicht. Während der Saison, die von Dezember bis April dauert, nächtigen Ivica Cajic und seine Frau Sznezana in der Hütte. Das Auto bleibt auf einem Parkplatz einige hundert Meter entfernt stehen. Der restliche Weg wird mit einem Schneemobil fortgesetzt. Während der Schulzeit wohnt der 14-jährige Sohn der Wirte bei seinen Großeltern in einem rund 25 Kilometer entfernten Dorf. Möchte er seine Eltern besuchen, muss er erst mit dem Lift auf den Gipfel fahren, um dann mit den Ski nach Hause zu kommen.
Als Ivica Cajic vor 20 Jahren ein Stückchen Land in der Nähe eines Liftes im größten Gebirgsmassiv Serbiens erstehen konnte, ahnte er noch nicht, dass sich Kopaonik zum bekanntesten und modernsten Wintersportort des Landes etablieren würde und dass seine Hütte inzwischen zu den Geheimtipps zählt. Einheimische wie auch Skitouristen schätzen das gemütliche Ambiente und die Kochkunst von Snezana. Beliebtestes Gericht ist der Blaubeer-Pie. Im Sommer pflückt das Ehepaar in den Wäldern um das Haus über den Zeitraum von etwa zwei Monaten rund zwei Tonnen der kleinen blauen Früchte und friert sie ein. Im Winter werden die köstlichen Beeren nach Bedarf aufgetaut und großzügig in dem Pie verarbeitet.
Viel Freizeit bleibt den Gastronomen während der Wintersaison nicht. Ist am späten Nachmittag der letzte Skifahrer abgefahren, beginnen schon die Vorbereitungen für den nächsten Tag. Meist bis drei Uhr morgens arbeiten die Cajics, säubern ihr Holzhaus und bereiten schon einige Speisen vor. Der normale Hüttenalltag beginnt dann wieder ab sieben Uhr. „Wir kehren hier besonders gern ein, denn das Angebot der Speisekarte wie auch die Preise sind hier seit Jahren konstant und der Blaubeer-Pie ist der Renner. Manchmal kommen wir auch zu besonderen Veranstaltungen am Abend, wenn Ivica über dem offenen Feuer Schmorfleisch im Tontopf zubereitet oder grillt „, schwärmt Dané Medic, Mitarbeiter der Bergrettung.
Soulfood „Essen mit der Seele Serbiens“ werden die leckeren Kostproben der landestypischen Küche genannt. Serbische Gerichte und ihre Zubereitung sind eng mit den Bräuchen und der Geschichte der Regionen verflochten. Meist zeugt eine Rauchsäule aus dem Schornstein nicht nur von einer Feuerstelle sondern auch von einer besonderen Art des Kochens. Dazu gehört auch die Küche in der Hütte Hany-Bany. Lammfleisch oder Rind mit Kartoffeln schmoren dort zwischen drei bis vier Stunden über dem offenen Kaminfeuer in Tontöpfen, von denen einige zusätzlich durch eine Ascheschicht bedeckt sind, um die Temperatur um Topf konstant zu halten. Fangen die Gerichte an zu garen, bahnt sich ein herrlich duftender Dampf seinen Weg durch einen winzigen Spalt zwischen Topf und verziertem Deckel. Kohlgerichte benötigen eine Garzeit bis zu 23 Stunden. Um die Feuerstelle zu sichern, schläft der Koch nachts direkt neben dem Kamin.
Das Kopaonik-Gebirge befindet sich 260 Kilometer südlich von Belgrad. In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde dort ein Skizentrum gebaut, welches seit 2006 laufend modernisiert und erweitert wird. Kopaonik erhielt 1981 dank seines einzigartigen Ökosystems Nationalparkstatus. Der Park erstreckt sich über eine Fläche von 11.810 Hektar. Auf einer Höhe von 1.600 Metern beginnt das Wintersportgebiet. Eine fantastische Aussicht bietet sich vom höchsten Berg des Gebirges, dem Pančićev Vrh auf 2017 Metern. Zu der Skidestination gehören mehr als 20 Lifte, teilweise mit Sitzheizung und W-Lan. Großzügige Beschneiungsanlagen und 56 Pistenkilometer garantieren von Dezember bis April ideale Schneebedingungen sowie Ski -und Snowboadspaß für jeden Schwierigkeitsgrad. „Dieses Gebiet eignet sich hervorragend für Anfänger, da sie schon nach ein paar Tagen den größten Teil der vielen blauen, breiten Pisten bewältigen können. Außerdem sind die Kosten in der Regel erheblich niedriger, als beispielsweise in den österreichischen Alpen“, bestätigt Skilehrer Alexander Gegic. Zur attraktiven Infrastruktur des Resorts gehören preisgünstige Ferienwohnungen und Pensionen sowie rustikale kleine und größere Hotels. Im Ortskern kommen Après-Ski Freunde in den Bars oder Restaurants auf ihre Kosten. Seit Anfang 2012 gibt es in Kopaonik den ersten Snow Park Serbiens.
Die Entwicklung des Skiorts Kopaoniks ist noch längst nicht abgeschlossen. Neben Investitionsplänen der Vereinigten Arabischen Emirate möchte auch der Tennisspieler Novak Djokovic, der in der Region des Naturschutzgebiets aufwuchs, investieren. Die Eltern des Weltranglistenersten im Tennissport betreiben bereits ein Restaurant in Kopaonik. Nun ist ein Hotelbau geplant. Novak Djokovic selbst zählt zu den Stammgästen des Skigebiets. Er gastiert jedes Jahr im Hotel Mount. Dort wohnt er in einer kleinen, holzgetäfelten Suite im Balkanstil und mit einem Lieblingsplatz für seinen Hund auf der Empore. Abends genießt er besonders gerne Kohlrouladen „Sarma“, ein Bestandteil des traditionellen serbischen Festessens.
„Wir alle kennen Novak Djokovic und sind sehr stolz darauf, dass er aus dieser Gegend stammt und auch regelmäßig zum Skifahren kommt“, erzählt Ivica Cajic, „Natürlich laufe auch ich gern Ski. Das ist ganz normal, wenn man hier oben lebt. Aber im Sommer, wenn ich ein wenig Zeit habe, gehe ich am liebsten zum Fischen. Wenn dann in dem satten Grün das Plätschern der Bäche zu hören ist und Steinadler, Falken, Wildkatzen und Hirsche zu entdecken sind, ist es in diesem zauberhaften Naturschutzgebiet fast noch schöner.“
Herr Schrahe, Sie haben zahlreiche Ski-Guides und Fachbücher geschrieben. Sie sorgten mit Ihren Vermessungs-Ergebnissen der Pisten in der Schweiz, in Österreich, Großbritannien, Frankreich und Spanien für Aufsehen. Was genau haben Sie gemessen?
Ich haben ausgemessen, wie viele Pistenkilometer, welche Ausdehnung und welche Größe ein Skigebiet tatsächlich hat. Für mehrere Publikationen habe ich die Daten zahlreicher Skigebiete in aller Welt ermittelt und die Pisten sowie Liftanlagen der bedeutendsten Skigebiete der Alpen digitalisiert und in einer umfangreichen Datenbank erfasst.
Wie viele Skigebiete haben Sie bereits bereist? Und wo gab es bei der Angabe der Pistenlängen die größten Abweichungen?
Bisher habe ich 446 Skigebiete in 36 Ländern gesehen und ausgemessen. Große Unterschiede bei den offiziellen Angaben gab es in Frankreich und St. Moritz.
Was motivierte Sie zur Ihrer speziellen Art die Pisten zu erobern?
Als ich 15 Jahre alt war, bekam mein Bruder zu Weihnachten einen Ski-Atlas. Ich kaufte mir von meinem Taschengeld topographische Karten und erstand in einem Reisebüro Prospekte von Skigebieten und Liftanlagen. Dann fing ich an zu messen. Später habe ich Kartographie und Geographie studiert.
Wie bereiten Sie sich heute auf den Besuch eines Skigebiets vor?
In der Regel sehe ich mir die Gebiete vorher bei Google Earth genau an und fahre die Pisten schon einmal in Gedanken ab.
Wie würden Sie das serbische Skigebiet Kopaonik einstufen?
Es gibt mehrere Tausend Gebiete in der Welt. Kopaonik würde ich unter den Top 200 Gebieten platzieren.
Was zeichnet das Gebiet aus?
Außerhalb der guten Gebiete Österreichs zeigt es schon eine hohe Qualität. Die gut präparierten Pisten mit aktuell 56 Kilometern Länge eigenen sich hervorragend für Anfänger und Familien. Zwei Lifte haben sogar eine Sitzheizung und sind mit W-Lan ausgestattet. Hier werden sogar die Teller gefegt. Zudem sind die Preise mit etwa 26 Euro für eine Tageskarte vergleichsweise günstig.
Und die Hütten?
Im Gegensatz zu Frankreich zeichnen diese sich durch eine große Vielfalt aus.
Gibt es Verbesserungsvorschläge?
Die Beschilderung ist gut, könnte aber an mancher Stelle noch optimiert werden. Die musikalische Dauerbeschallung an den Stützen ist unnötig. Es gibt kein Rauchverbot in den Restaurants. Ausgerechnet der teuerste Lift steht an einer schwarzen Piste mit 40 Prozent Gefälle. Da diese Pisten erfahrungsgemäß weniger genutzt werden, frage ich mich, ob die Serben besonders gern auf schwarzen Pisten fahren oder ob es eine Fehlinvestition war.
Was gefällt Ihnen besonders gut?
Von Kopaonik aus sind Taleinschnitte und Bergmassive in der Ferne zu sehen. Man fühlt sich wie on Top of the World.
Welches Traumziel steht noch auf Ihrer Liste?
Heli-Skiing im Himalaya. Das muss ultimativ sein.
Und als Buch?
Ich würde gern einen Ski-Guide über Norwegen schreiben.
Anreise
Mit dem Flugzeit nach Belgrad. Von dort mit einem Mietauto oder Busshuttle (etwa 15 Euro pro Strecke) 260 Kilometer bis nach Kopaonik. Hotels bieten auch einen Privattransfer an.
Skigebiet
Insgesamt verfügt das Gebiet über mehr als 20 Lifte und 56 Pistenkilometer. Davon sind 30 Kilometer als blaue Pisten, 19 Kilometer als rote und der Rest als schwarze Pisten ausgewiesen. Der Tagespass kostet zirka 26 Euro für Erwachsene und für Kinder 19 Euro.
Unterkunft
Im Skigebiet gibt es zahlreiche Hotels, Pensionen und Apartmenthäuser. Im Grand Hotel & Spa kostet die Übernachtung pro Person im Doppelzimmer mit Halbpension zwischen 69 und 120 Euro, www.mkresort.com
Reisetipp
Die 7000 Jahre alte Stadt Belgrad an Donau und Save lohnt eine Entdeckung.