Kreuzen im Paradies
Auf den Spuren des Schärenzaubers vor Schwedens Westküste
Svea von Bohuslän ist 111 Jahre alt. Sie erinnert eher an die Miniaturausgabe eines Mississipidampfers als an ein Kreuzfahrtschiff. Ihr Kapitän Philip Andreasson dagegen ist gerade mal 21 Jahre alt. Aufgewachsen auf einer Insel, war für ihn schon als Kleinkind der Umgang mit Booten bei Wind und Wetter Teil seines Lebens und seiner Erziehung. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass er die mit modernster Technik ausgestattete alte Dame millimetergenau durch die wildromantische Felsenlandschaft des Meeres zu manövrieren vermag. Die von den Wellen polierten Felsen ziehen ganz langsam, manche zum Greifen nahe, vorbei. Kulturbatarna (Kulturboot) nennt sich die Reederei, die mit ihren drei alten Booten besondere Seefahrten zwischen den Bilderbuchdörfern und bizarren Schären mit rund 8000 Inseln anbietet. Aus der reizvollen Perspektive können vom Wasser aus die Schönheiten der Küste mit ihren malerischen Fischerdörfern und den tollsten Felsformationen betrachtet werden. Und als besonderer Glanzpunkt dieser außergewöhnlichen Kreuzfahrt werden einheimische Delikatessen in den pittoresken Dörfern angeboten. Läuft die Svea einen Hafen an, bugsiert Filip Andreasson die alte Dame ganz vorsichtig an die Kaimauer. Meist in Gegenwart vieler Schaulustiger, die sich trotz der hohen Zahl von rund 1,5 Millionen Booten in Schweden über das historische Schiff besonders zu freuen scheinen, legt Kapitän Filip wie ein erfahrener Seebär an. Das Anlegen ist kaum zu spüren. Millimetergenau platziert er das Schiff neben dem Steg. Innerhalb weniger Minuten sind die Leinen an den Pollern befestigt und die Passagiere können bequem an Land auf Erkundungstour gehen.
Die Reise führt von Göteborg bis nach Grebbestad. Schon die Insel Gullholmen lässt den stillen Verdacht aufkommen, dass dieser Teil Schwedens nach den Geschichten von Astrid Lindgren gebaut worden ist. Bei einem Rundgang möchte man sich die Augen reiben: „So schön. So perfekt. Ist es eine Zeitreise oder ist dies Wirklichkeit?“
Wildgänse rasten auf den satt grünen Wiesen zwischen friedlich weidenden Pferden und dicken Findlingen. Wie eine schützende Decke legt sich das Moos über die Steine, aus dessen Spalten das Farnkraut wächst. Schmucke Häuser, aus Holz gebaut, leuchten in allen Farben. In weiß, gelb, grün und rot heben sie sich von dem tief blauen Meer, auf denen viele Boote kreuzen, kontrastreich ab. Einige dieser Häuser fügen sich harmonisch in die Landschaft ein, während andere geradezu auf den Felsen thronen und alles wirkt wie ein bunter Blumenstrauß. Eine vielfältige Staudenwelt ziert die kleinen Gärten, die von Staketenzäunen gesäumt sind. Kleine gepflasterte Wege winden sich durch die dicht besiedelte malerische Ortschaft. Fröhlich lachende Kinder laufen mit ihrem Sandkastenspielzeug in Richtung Strand oder unterhalten sich über die Straße von Fenster zu Fenster. In dem geschützten Hafen der Bilderbuchwelt lohnt das Restaurant Skottarn einen Besuch. Zu den Fischspezialitäten zählt die fangfrische Scholle. Ganz schlicht, nur mit Pellkartoffeln und Butter, zubereitet.
Der nächste Halt ist Fiskebäckskil. Hinter dem Namen Fiskebäckskil verbirgt sich eine alte Fischersiedlung, die sich später durch die Frachtschifffahrt zu einer wohlhaben Gemeinde entwickelte. Heute noch säumen die alten Boots- und Fischerhäuser das Ufer, während etwas weiter oben in der hügeligen Landschaft exquisite Kapitänshäuser viele bewundernde Blicke auf sich ziehen. Um 1867 entwickelte sich der Ort zu einem bekannten Seebad mit Kurbetrieb. Seeleute gründeten die Fiskebäckskils Badehandelsgesellschaft und errichteten Badehäuser, Restaurants und Cafés. Maler verewigten das Dorf in ihren Gemälden und Urlauber sowie Erholungssuchende aus der ganzen Welt fanden dort ihr Refugium.
Saisonale und regionale Produkte werden im Restaurant vom Hotel Gullmarsstrand, Mitglied bei „Taste of Westsweden“, serviert. Der Vorspeise, marinierte Makrele auf gerösteten Semmelbröseln, folgt ein perfekt zubereiteter Kabeljau an Kartoffelmus mit Miesmuscheln und getrockneten Apfelringen. Als Dessert wird eine Variation aus Sanddorn, Mango und weißer Schokolade gereicht – wie der Panoramablick auf das Meer einen Genuss für die Augen darstellt, bedeutet das Menü ein geradezu lukullisches Vergnügen.
Ein weiteres Juwel in Bohuslän verbirgt sich hinter dem Ortsnamen Smögen. Es ist für seine farbenfrohen Bootshäuser und ausgezeichneten Fisch bekannt. Täglich findet im Hafen eine Fischauktion statt. Während der Hummersaison werden dort in Riesentöpfen frisch gefangene Hummer gekocht. „Wir sind mit dem Hummerfang aufgewachsen. Wenn gerade kein anderer helfen konnte, hat mich mein Vater einfach mit auf das offene Meer genommen. Für mich ist das völlig normal“, erklärt die Westschwedin Emelie Persson. Allerdings beginnt die Hummersaison in Schweden traditionell am ersten Montag nach dem 20. September, morgens um 7 Uhr. Am 14. April endet die Saison. Denn der Hummer ist im Sommer in Schweden staatlich geschützt. Bis dahin gilt auf jeden Fall als bekannteste Delikatesse die Smögen-Krabbe. Pro Person werden im Restaurant Skäret etwa 400 Gramm auf einem Brötchen mit etwas Zitrone und Mayonnaise gereicht. Ein Spaziergang etwas außerhalb der Ortschaft zu landschaftlichen Höhepunkten über Hängebrücken und kleine Stege lohnt ebenfalls. Empfehlenswert ist die Speisekarte des Restaurants vom Hotel Smögens Hafvsbad. Dort sollte unbedingt der gegrillte Saibling an Kürbismus probiert werden.
Nicht nur das malerische Erscheinungsbild des nächsten Hafens Fjällbacka, sondern auch die mehrfach mit einem Oscar prämierte Schauspielerin Ingrid Bergmann und die Bestsellerkrimiautorin Camilla Läckberg sorgten für eine erhöhte Populariät des Ortes. Bisher wurden von ihr mehr als 12 Millionen Bücher in über 50 Länder verkauft. In ihren Krimis mischt die Autorin reale Begebenheiten aus Fjällbacka und Fantasiegeschichten.
Hollywood-Ikone Ingrid Bergman liebte das Gebiet ebenfalls. Von 1958 an verbrachte sie jeden Sommer mit ihrer Familie auf der benachbarten Insel Dannholmen. Auf einem alten schwarz-weiß Foto ist sie mit der damals sehr jungen Camilla Läckberg zu sehen. Asa Cunniff, Leiterin der Touristinfo, bietet Führungen auf den Spuren der beiden Stars an. Ihren ersten Krimi erzählte Camilla schon als Vierjährige. Inzwischen verbietet der Pastor die Passagen mit den Exhumierungen. Es passiert keineswegs, aber die Einwohner wollen sich auf diesem Friedhof nicht mehr so gern beerdigen lassen. Hier gibt es trotz allem viele kulinarische Bezüge. Aus Fjällbacka stammen die ersten Anchovis. Bei der Bäckerei Setterlinds gibt es Ingrid Bergmans Lieblingskekse, die Mandelberge. Und im Restaurant Bryggen werden Gerichte aus einem Kochbuch serviert, das Camilla Läckberg zusammen mit ihrem Freund aus Kindertagen, dem heutigen Sternekoch Christian Hellberg, schrieb.“ Dort gibt es den besten Kabeljau, und je nach Saison Hummer, Austern, Kaisergranaten oder Jakobsmuscheln. Während des Rundgangs durch den Ort kommt Asa Cunnif an einem kleinen Bootshaus vorbei, dessen Tür offen steht. Eine ältere Dame kommt freundlich lächelnd heraus. „Ich bin die Mutter. Ich heiße Gunnel Läckberg. Am Wochenende kommen meine drei Enkel. Dann werden wir zusammen Krebse fangen“, erklärt die 76-Jährige ganz stolz und lädt auf ihren kleinen Holzsteg auf die andere Seite des Hauses der großen Krimiautorin des Landes ein.
Das Restaurant Familjen in Goteborg lohnt einen Besuch. Moderne, kreativ zubereitete schwedische Küche wird in einem Raum mit dominierend rotem Interieur serviert.