Fülle mit Trüffel
Trüffelhauptstadt der Emilia-Romagna heißt Savigno
Biba ist erst ein Jahr und alt und schon sehr erfolgreich, aber ohne ein intensives Training geht es nicht. Die Mischlingshündin wird von ihrem Herrchen Maurizio sorgfältig auf ihre Aufgaben vorbereitet. „In der Regel dauert es drei bis vier Jahre, dann ist ein Hund gut ausgebildet, aber Biba hat einen sehr fein ausgeprägten Geruchssinn. Da geht es etwas schneller. Ich muss nur aufpassen, dass sie nicht abgelenkt ist oder die Delikatessen auffrisst“, erklärt der 32-Jährige Trüffeljäger, der schon seit dem 18. Lebensjahr seiner Passion nachgeht. Er gehört zu den 120 Trüffelsuchern in dem 2500-Seelen-Dorf Savigno, einer italienischen Trüffelhochburg in der Nähe von Bologna. Insgesamt soll es sogar 800 Tüffelsucher im Tal Valsamoggio geben, die ihre Kenntnisse der guten Fundstellen für den Edelpilz nur in der Familie weitergeben. Meist sind es lichte Wälder in dem hügeligen Gelände mit Eichen, Pappeln und Haselnussbäumen, in denen die köstlichen Pilze so geheimnisvoll unter der Erde wachsen. Verbreitet werden die Sporen durch Schnecken, Mäuse und Wildschweine. „Beste Funde soll es drei Tage vor und nach dem Vollmond geben“, verrät Maurizio seinen persönlichen Geheimtipp, bevor er mal wieder eine kleine dunkle Knolle aus dem Maul der vierbeinigen Trüffeldetektivin Biba fischt. Wurde die Hündin fündig, erhält sie ein kleines Stück Mortadella als Leckerli. In nur 30 Minuten hat Biba eine ganze Hand voll Trüffel erspürt, beste aromatische Zutat für ein Dinner im Amerigo, in der Trüffelhauptstadt Savigno, mitten in der Emilia Romagna, dem Land des Parmaschinkens, des Aceto Balsamico und des Parmiggiano Reggiano. Dank des fruchtbaren Landes ernten die Bauern außerdem besonders schmackhaftes Gemüse in dem so genannten Bauch Italiens. Und als I-Tüpfelchen die Fülle der Trüffel um Savigno!
Ein Besuch im Amerigo ist wie eine Zeitreise in die 40er Jahre: rot-weiß karierte Tischdecken, ein gediegener Holztresen und altes Kaffeegeschirr, hübsch auf den Wandregalen dekoriert. Eröffnet im Jahre 1934 von Amerigo und Agnes, scheint das Ambiente der Trattoria bis heute unverändert. Inzwischen führt aber Enkel Alberto Bettini das Restaurant. Dem leidenschaftlichen Koch und international anerkannten Trüffelfachmann ist auch der Michelinstern zu verdanken. Als einzige Trattoria ist sie gleichzeitig mit der Schnecke der Slow-Food-Bewegung und drei Garnelen des Gambero Rosso ausgezeichnet worden. Immer noch stehen die Produkte der Region im Zentrum des Menüs. Die Speisen stellen eine Mischung aus Tradition und unkomplizierter er Innovation dar. „Es ist eine sanfte Balance zwischen einfachem Essen der Bauern und Eleganz. Unsere Gerichte spiegeln die Seele der Landschaft, unsere kulturellen und gastronomischen Wurzeln“, erklärt Alberto Bettini. Schon das Brotkörbchen zum Auftakt des Mahls zeigt Kreativität. Auf einem kleinen Zettel stehen die einzelnen Brotsorten mit Nennung der Zutaten. Unschlagbar gut schmeckt das Carpaccio, sehr fein zerkleinert, mit Tartufo Scorzone Nero. Es folgt ein kleiner Brotfladen mit Parmesaneis und etwas Balsamico. Zu den besonders nennenswerten Trüffelhauptgängen zählt das typischste Beispiel des Abends aus den umliegenden Wäldern mit kleinen Kartoffelstiften, Trüffeln, Pfifferlingen und einem frischen Ei in einem knusprigen Parmesankörbchen, das der Maestro am Tisch persönlich mit den Pilzen vermengt. Zum Abschluss wird Lambrusco-Sorbet und Zuppa Inglese, ein Rezept von Nonno, gereicht. Alle Weine des Abends stammen aus der Region. Herausragend ist der Wein von Alessandro Bartolini. Er produziert auf seiner Azienda Agricola Torricella feine Tropfen, die auf Anhieb Preise gewinnen. Seine Weine zeigen Tiefe, Komplexität und einen lang anhaltenden Abgang. Besonders der Pignoletto 2007 Selezione überzeugt durch Aromen von Karamell, Cognac, Feige, Aprikose und Mandel.
Nur wenige Kilometer weiter, verbirgt sich mit der Trattoria del Borgo ein weiteres lohnenswertes Restaurant. Es liegt etwas versteckt auf einer Anhöhe, direkt neben dem mittelalterlichen Kloster Monteveglio. An einem kleinen Eisenofen vor dem Tresen sitzend, kann das emsige Geschehen in dem voll besetzten gastronomischen Juwel gut beobachtet werden. Empathie für sein Land und seine Speisen empfindend, zaubert Inhaber und Chefkoch Paolo Parmeggiani Wunderbares. Vorweg: Creme caramel auf Aceto Balsamico, mit gebratenem Culatello di Zibello und etwas Rosmarin. Es folgt Kaninchenleberpastete mit frisch geröstetem Brioche, Tagliatelle mit Steinpilzen, Strichetti Bolognese und zur Krönung serviert der Küchenmeister geschmortes Kaninchen mit karamellisierter Zwiebel. Wunderbar schmackhaft. Eine perfekte Süße in der reduzierten Sauce, die harmonisch durch die Weine der Winzer aus der Nachbarschaft ergänzt werden. „Sehen Sie, da drüben auf dem Hügel die Weinfelder. Von dort kommt der Le Luglie Barbera Ghedini 2012, ein vollmundiger Tropfen mit Aromen von schwarzer Johannisbeere, Pflaume und Gewürzen“, sagt Paolo Parmeggiani. Großartig auch das Finale: Kamillenblütenmousse mit Zitronengelee.
Neben einer wunderschönen Altstadt mit insgesamt 53 Kilometer Laubengänge gilt Bologna als Zentrum kulinarischer Freuden. Tortellini, Lasagna, Tagliatelle und Passatelli, die Reistorte, der Weihnachtskuchen Certosino, Ragu und Mortadella – es gibt unzählige Gerichte, Feinkostläden und Restaurants. In einer kleinen Seitengasse gelegen, lohnt die Drogheria della Rosa einen Besuch. Zur Begrüßung erhält jeder Gast in der ehemaligen Drogerie erst einmal einen Apéritif, einen Vino Bianco. Die Speisekarte ist klein oder es wird mit Empfehlungen lockt. Gekocht wird, was auf dem Markt gerade angeboten wird. Wer Vertrauen zeigt, wird auf jeden Fall belohnt. Jeder Gang, inklusive der Begleitung lokaler Weine, zeichnet sich durch besondere Schmackhaftigkeit aus. „Gute Zutaten sind für mich einfach wichtig. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und kenne die Küche der Emilia Romagna. Meine Gäste, meistens Einheimische, sollen auch nur beste Waren erhalten. Nur dann kommen sie wieder“, erklärt Inhaber Emanuele Addone. Herausragend ist das Tagliata mit cremigem Aceto Balsamico – zart und köstlich. Auch das Dessert, Halbgefrorenes aus Marsala mit Nüssen, Orangenschalen und Vanillesahne ist ein süßer Traum!
Was Emanuele Addone für seine Küche nicht bei den Bauern auf dem Land findet, kann er gleich nebenan auf dem Markt in der Altstadt erstehen. Das Marktviertel Quadrilatero stellt ein Paradies für Gourmets dar. Einige der namhaftesten und ältesten Lebensmittelgeschäfte sowie kleine Geschäfte mit Fisch, Fleisch, Obst und Gemüse bieten in den kleinen Gassen ihre Waren in Hülle und Fülle an. Zu den bekanntesten dürfte die Salumeria Simoni gehören. Juniorchef Davide Simoni studierte Kommunikationswissenschaften und arbeitete als Journalist, bevor er in die Fußstapfen seines Vaters trat, absolvierte er eine Lehre bei Ennio Pasquini und wird inzwischen respektvoll als Mortadella-Mann bezeichnet, denn seine Mortadella soll die beste des Landes sein. Außerdem beinhaltet sein Sortiment vom alten Aceto Balsamico bis zum Prosciutto di Parma und Culatello di Zibello zahlreiche Delikatessen der Emilia Romagna.